Betriebsprüfungen im Friseursalon
Der gläserne Salon
Im zweiten Teil des MARKTLÜCKE-Themenspezials Betriebsprüfung beschreiben Branchenkenner Dieter Schneider und der Steuerberater Holger Püschel das Vorgehen der verschiedenen Überwachungsorgane bei Betriebsprüfungen im Friseurhandwerk. In zahlreichen Praxisbeispielen liefern sie wertvolle Hinweise zu Vorsorge und Vermeidung einschlägiger Fehler im Alltag. Wer als Friseurunternehmer nachts noch ruhig schlafen möchte, kommt an dieser Pflichtlektüre nicht vorbei! Friedberg, Bayern. Ein kleines beschauliches Städtchen in der Nähe von Augsburg an einem frühsommerlichen Samstagvormittag. Hochsaison für Friseurteam Franz Ferdinand. Ein Salon, sieben Mitarbeiter und 10 Bedienplätze restlos ausgebucht bis in den Abend. Plötzlich das Knallen zuschlagender Autotüren. Zwei uniformierte Zollfahnder drängen in den Salon und verlangen nach dem Inhaber. Ihre Mission: eine unangemeldete Überprüfung nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung.
Das Gespenst permanenter Überwachung
Lange Jahre undenkbar, versetzt dieses immer häufiger vorkommende Szenario viele Friseurunternehmer mittlerweile in Angst und Schrecken. Gewissermaßen geht in der deutschen Friseurlandschaft ein Gespenst um das Gespenst permanenter Überwachung. Schon seit geraumer Zeit gehen die staatlichen Überwachungsorgane massiv gegen Steuer- und Sozialabgabenbetrug vor. Aus ordnungspolitischer Sicht ist es natürlich richtig, dass die öffentliche Hand ihre rechtlichen Ansprüche überwacht, im Zweifelsfall durchsetzt und gegen Kriminalität vorgeht. Allein erscheinen Umfang und Intensität heutiger Betriebsprüfungen mehr und mehr als stünden Friseurunternehmer von vorneherein unter Generalverdacht, Steuer- und Sozialabgabenbetrüger zu sein. Hinzu kommt, dass sich die Behörden nicht nur zunehmend elektronischer Hilfsmittel bedienen, sondern auch die elektronische Vernetzung ihrer einzelnen Schnittstellen untereinander vorantreiben. Der Datenzugriff durch amtliche Prüfer nimmt dabei im Hinblick auf Umfang und Tiefe deutlich zu. Die Prüfungserkenntnisse der einen Institution werden so schnell zum Auslöser der Prüfung einer anderen - inklusive der im Ernstfall daraus resultierenden Sanktionen. Allein die schiere Anzahl der mittlerweile prüfungsberechtigten Organe erweckt zunehmend den Eindruck eines staatlichen Überwachungs- und Prüfungsnetzwerkes. Folgende Institutionen sind mal verdachtsabhängig, mal verdachtsunabhängig zur Prüfung von Friseurunternehmern berechtigt: die Finanzämter, die Zoll-Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die Sozialversicherungsträger, die Arbeitsagenturen, die Arbeitsgerichte, die Handwerkskammern, der BUS-Dienst (betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung), die Berufsgenossenschaft, die Gewerbeaufsicht, die Verwertungsgesellschaften und zu guter Letzt auch Rechtsanwälte und Abmahnvereine. Der gläserne Salon ist längst zur Realität geworden. Die überwältigenden Reaktionen auf den ersten, bereits erschienenen Teil des MARKTLÜCKE-Themenspezials Betriebsprüfung haben gezeigt, dass der Informationsstand der deutschen Friseurlandschaft in keinem Verhältnis zu den Möglichkeiten der öffentlichen Hände steht. Wie viele Friseure können schon aus dem Stehgreif sagen, welche Fragestellungen zwingend vor Beginn einer Betriebsprüfung zu klären sind? Wer kann mit Sicherheit behaupten, dass sein Kassensystem allen gesetzlichen Anforderungen zur Kassenführung gerecht wird? Und wie viele Friseure gibt es eigentlich, die einen Plan für den Fall eines Besuchs der Steuerfahndung haben? Wohl die wenigsten. Hinzu kommt, dass das Salon-eigene Rechnungswesen häufig nicht den Grundätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung (GoB) entspricht. Was zunächst wie eine Lappalie erscheint, hat weitreichende Konsequenzen. Kann die Buchhaltung eines Salons erst einmal verworfen werden, ist es gängige Praxis, dass Betriebsprüfer den Umsatz mehrerer Jahre hinzu schätzen. Die Folge: Nachzahlungen, die im schlimmsten Fall in die Hunderttausende gehen. Zahlbar sofort, ohne Abzug.
Ein Praxisbeispiel der jüngsten Vergangenheit: Ein Friseurunternehmer aus Süddeutschland verwendete über Jahre hinweg die gleiche Artikelnummer für Waschen, Schneiden, Föhnen in seinem Kassensystem. Studenten erhielten hierauf einen speziellen Rabatt in Höhe von 15%. Statt hierfür eine neue Artikelnummer mit eigenem Preis anzulegen, wurde einfach der normale Preis beim Kassiervorgang entsprechend reduziert. Die Preisreduzierung speicherte die Software des Kassensystems allerdings im Hintergrund ab. Der Prüfer deckte diese Änderungen auf und unterstellte sofort, dass alle gekürzten Beträge in die eigene Tasche des Unternehmers geflossen seien. Ursprüngliche Nachforderung des Finanzamtes: 97.500,- Euro.
Fokus beim Mittelstand
Das Beispiel zeigt, wie besorgniserregend die Situation ist; auch für diejenigen, die glauben, eine reine Weste zu haben. Das Thema Betriebsprüfung birgt Sprengstoff für den deutschen Friseurmittelstand. Die Betonung liegt bewusst auf dem Friseurmittelstand, da sich dieser insbesondere im Vergleich zu Kleinstunternehmen im Nachteil befindet. Kleinstunternehmen, die immerhin knapp ein Drittel der Gesamtzahl deutscher Friseurunternehmen ausmachen, erwirtschaften weniger als 17.500 Euro Umsatz im Jahr, sind damit von der Umsatzsteuer und weitgehend auch von anderen Steuern befreit und werden darüber hinaus in der Regel für nicht prüfungswürdig erachtet. Eine Form der Wettbewerbsverzerrung, die aber leider politisch gewollt ist, sodass alle diesbezüglichen Klagen und Lamentos zunächst verpuffen.
MARKTLÜCKE Themenspezial Betriebsprüfung
MARKTLÜCKE-Chefredakteur Dieter Schneider und der Steuerberater Holger Püschel fassen in ihren beiden Themenheften alle für Friseurunternehmer relevanten Informationen zum Thema Betriebsprüfung zusammen kompakt, kompetent und mit dem Blick fürs Detail.