10. Selbständig im Dunstkreis des Arbeitgebers?

Wenn ein Angestellter sich selbständig macht, ist es ein guter Start, wenn er "seine" Kunden gleich in seinen neuen Salon mitnimmt. Ist es wirklich so ein guter Start?

Regionale Nähe zum Ex-Arbeitgeber

Selbständigkeit in der geografischen Nähe zum früheren Arbeitgeber

Über dieses heikle Kapitel habe ich schon vor vielen Jahren etwas geschrieben: Die Versuchung ist groß: Wenn ein Angestellter sich selbständig macht, ist es ein guter Start, wenn er "seine" Kunden gleich in seinen neuen Salon mitnimmt. Ist es wirklich so ein guter Start? Zunächst spricht alles dafür: Bisher EURO 6000,- und vielleicht noch mehr Monatsumsatz scheint ein hübsches Startkapital und besser als ein Start am Punkt Null zu sein.

Die Sache hat aber ein paar Haken
1. Nicht wenige Kunden gehen nicht mit bzw. kommen nur einmal
aus reiner Neugierde.

2. Wegen seiner "Stammkunden" ist der Jungchef praktisch
gezwungen, seinen ehemaligen Chef zu kopieren - mit allen
Stärken aber auch mit seinen Schwächen. Der Kundenwille ist
da oft stärker als alle guten Vorsätze, es besser als der ehe¬
malige Chef zu machen.
Den Markt, bzw. einen bestimmten Teil des Marktes müssen sich nun zwei teilen.

3. Der Jungchef fängt praktisch an wie er aufgehört hat: Im Stile
eines Angestellten, vom Führen keine Rede. Seine Kunden
lassen ihn dazu keine Zeit. Während er Haare schneidet, schauen die neuen Mitarbeiter bewundernd zu und Pressen" dabei auf, was der Chef gerade verdient

4. Fängt der Jungchef dagegen klein - ohne viel Mitarbeiter - an, dann fragt es sich, ob die Kunden diesen "Abstieg" vom großen, vielleicht führenden Salon am Platze mitmachen, und ob der Jungchef dann später die Kurve zur Führungsleistung bekommt.

 

Selbständigmachen in der Nähe ihres Chefs

Was ich hier schreibe ist keine Theorie: ich habe es selber beobactet und mit Chefaspiranten durchdiskutiert. Bis jetzt ist es mir immer gelungen, diesen das Selbständigmachen in der Nähe ihres Chefs auszureden. (Dabei kannte ich die jeweiligen Chefs oft gar nicht.)
Weit weg vom Chef ist besser, da kann man alle Stärken seines Chefs übernehmen und Schwächen vermeiden. Ein kluger Ex-Chef gibt in solchen Fällen sogar Starthilfe. Es nutzt also beiden Seiten, wenn über einen solchen Fall rechtzeitig und offen zwischen Chef und Mitarbeiter gesprochen wird. Kündigung ist keine Fahnenflucht. Unfair ist es nur, den Chef damit kurzfristig zu überraschen. In der Tendenz stimmt der leicht gekürzte Artikel noch immer. Wenn ein Mitarbeiter sich in der Nähe selbständig macht und vielleicht sogar noch Kollegen mitnimmt, braucht das nicht nur Resignation beim "Sitzengelassenen" auslösen, sondern kann auch ungeheure Kräfte bei den anderen entfalten, es dem "treulosen" Ehemaligen zu zeigen. Ich habe da schon manchen zweiten Frühling erlebt und mir dann gedacht: Das war höchste Zeit, daß dem das passierte. Es soll hier noch vor dem Argument des "Mitbringens" von Kunden gewarnt werden. Für Existenzgründer ist die Aussicht, Mitarbeiter zu bekommen, die Kunden mitzubringen, recht verführerisch. Wenn das neue Geschäft in der Nähe des Geschäftes liegt, sind die Aussichten eines "Erstbesuches" nicht schlecht, das Halten dieser Kunden ist aber nicht mehr ganz so einfach.

 

Vor Jahren erfuhr ich folgende Geschichte, die mich sehr nachdenk­lich machte: eine Friseurin wechselte aus "zwischenmenschlichen" Gründen den Arbeitsplatz innerhalb einer süddeutschen Großstadt. Die betref­fenden Friseure waren befreundete Kollegen aus dem selben Fach­club. Die Mitarbeiterin blieb beim neuen Arbeitgeber auch nur ein Jahr. Danach setzten sich die beiden Arbeitgeber zusammen und verglichen die Karteikarten.

 

Kunden mitnehmen - klappt das?

Der erste Arbeitgeber hatte rund 80% der Kunden der ausgeschiedenen Mitarbeiterin sofort verloren, rund 20%, also ein Viertel, kamen im Laufe eines Jahres zurück bzw. kamen wieder. Jetzt kommt die Überraschung: Rund die Hälfte der ausgebliebenen Kunden war beim anderen Friseur nicht angekommen und die Hälfte dieser Hälfte blieb auch nicht als Kunde.

Das noch einmal in angenommenen absoluten Zahlen:
Die Friseurin hatte 200 Kunden, 160 blieben beim Friseur A weg,
aber nur 80 kamen zum Friseur B.

Davon blieben beim Friseur B 40.
Zum Friseur A kamen 40 wieder, davon stammten aber nur 20 aus
dem Intermezzo beim Friseur B.

Am Ende hatte von 200 Kunden A noch 60 Kunden, B 40.
Die Hälfte der Kunden ging also beiden verloren.

Ich will nun keine Regel aus solchen Zahlen machen, aber vor der Illusion warnen, daß sich Kunden in der heutigen Zeit so einfach übernehmen lassen.

 

Marktuntersuchungen

Ein junger Friseur, ob Chef oder Mitarbeiter, sollte soviel Vertrauen in seine Leistungsfähigkeit und seinen Leistungswillen haben, daß er sich zutraut, rasch einen neuen Kundenstamm aufzubauen. Die nachlassende "Kundentreue" hilft ihm dabei. Marktuntersuchungen bringen angeblich immer wieder zutage, daß der Wunsch nach einer neuen Frisur am häufigsten den Wunsch nach einem neuen Friseur auslöst. Und noch ein Hinweis. "Sie sind doch eine ehemalige Mitarbeiterin von ..." sagte ich einmal arglos zu einer jungen selbständigen Friseurmeisterin. Das löste fast einen kleinen Wutanfall bei der Angesprochenen aus. Ich erfuhr dann, daß sie das ständig zu hören bekommt, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich räumlich zu wenig von ihrem ehemaligen Chef abgesetzt hatte. "Sie sind doch früher bei Wella gewesen", sagt mir noch heute mancher Friseur. Es nützt mir nichts, wenn ich dann erwidere: "Ja, das ist aber verjährt, weil es über 25 Jahre her ist."Um sich innerlich zu trennen, ist manchmal auch räumlicher Abstand notwendig. Und noch eine Warnung: Auf die Kunden, die einen angestellten Meister anfeuern, sich unbedingt selbständig zu machen, muß er, wenn es soweit ist, oft am längsten warten. Noch einmal meine Meinung: Kündigung ist keine Fahnenflucht, schon gar nicht wegen der Absicht, sich selbständig zu machen. Wer einen Chef hat, der das auch so sieht, sollte dankbar dafür sein und versuchen, ihn zum Verbündeten beim Schritt in die Selbständigkeit zu machen.

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