18-19. Die Finanzierung und Beratung

Die Finanzierung und Existenzgründungsberatung.

Finanzierung und Existenzgründungsberatung

Finanzierungsmängel führen oft zum Scheitern von Friseurunternehmen

Als Hauptgrund für das Scheitern von Existenzgründungen wird laut vieler Veröffentlichungen angegeben:

  1. Finanzierungsmängel: 8%
  2. Informationsmängel:61%
  3. Qualifikationsdefizite:48%
  4. Planungsmängel:30%
  5. Familienprobleme:30%

Meiner Meinung nach werden da Ursache und Wirkung verwechselt. Die Punkte 2 bis 4 führen häufig zu "Finanzierungsmängeln". Ein Finanzierungsmangel ist es zum Beispiel, wenn in der Gründungsphase wegen eines falschen Konzeptes der Einnahmen­überschuß nicht ausreicht, um die Privatentnahmen zu decken. Das falsche Konzept kann auf Informationsmängeln, mangelnder unter­nehmerischer oder mangelnder fachlicher Qualifikation beruhen. Die Familienprobteme sind dann genauso mehr Folge als Ursache wie die Finanzierungsprobieme. Egal, ob ein Geschäft gekauft oder neu eröffnet wird, es ist Kapital notwendig und als Eigen kapital meistens nicht ausreichend vor­handen. Deshalb ist eine Kapitalbedarfsrechnung notwendig. Das muß einerseits eine Bedarfsrechnung bis zum Start (Investi­tionen, Vorabaufwand z.B. für Personal, Kaufpreis) sein, andererseits auch eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für die ersten Jahre nach dem Start.

 

 Aufwands- und Ertragsrechnung und Liquidität

Finanzierung der Anlaufzeit

Ausgangspunkt, aber nicht identisch damit, ist die Aufwands- und Ertragsrechnung, die etwas über die Rentabilität des Geschäftes sagt. Die Einnahmen- und Ausgaben-Rechnung sagt mehr über die Liquidität. Das sind die Geldmittel, die tatsächlich zur Verfügung stehen. Einziger formaler Konkursgrund bei Einzelunternehmen ist die fehlende Liquidität. Die stellt sich dann erst nach Geschäfts­eröffnung heraus, weil - wenn überhaupt - die Einnahmen zu opti­mistisch und die Ausgaben zu niedrig eingeplant waren. Die Finanzierung einer neuen Einrichtung ist deshalb nicht das ei­gentliche Problem, sondern die Finanzierung der Anlaufzeit. Da kommen dann auch die Finanzierungsangebote der Einrichtungs­firmen und verleiten nicht selten zu falschen Entscheidungen. Gar nicht mal wegen einer eventuell zu teuren oder einer nicht zweck­mäßigen Einrichtung, sondern weil die Alternative "Geschäftskauf" zu wenig bedacht wurde. Dafür gibt's kein Geld von den Banken, habe ich schon häufig gehört. Wahr ist daran, daß als Friseur von den Banken und den Kreditga­rantiegemeinschaften ohnehin schwer Geld für eine Existenzgrün­dung zu bekommen ist, für Geschäftskäufe bei voll abgeschriebenen Einrichtungen noch schwerer.

 

Branchenrating

Das "Branchenrating" (Einschätzung der Kreditwürdigkeit einer Branche) der Friseure bei den Banken ist katastrophal. Früher reichten ein paar Sicherheiten und ein guter Eindruck beim Bank­direktor und es gab Kredit. Heute schaut der Kreditsachbearbeiter in dem Computer als erstes nach dem Branchenrating, dann gibt er einige Zahlen ein und dann entscheidet weitgehend der Computer, ob ein Friseur Kredit bekommt oder nicht. Das muß aber nicht so sein.

Dazu eine kleine Geschichte, die praktisch die Berufslebensgeschichte eines Friseurs ist:

Ein Friseur, den ich vor 25 Jahren zu einem Geschäft mit 200.000 DM Umsatz verholfen hatte, sagte mir vor einiger Zeit, daß er aufhören und sein Geschäft verkaufen wolle. Mit inzwischen 1,3 Mio. Umsatz auf immer noch gleicher Fläche ein schwieriges Unterfangen. In den neuen Bundesländern lernte ich auf einem Seminar eine junge Friseurmeisterin kennen, die zwar recht erfolgreich aber trotzdem mit ihrer geschäftliche Situation nicht zufrieden war. Sie fühlte sich mit dem, was sie wollte, fehl am Platze. Ich gab ihr einen Tip und die Sache klappte. Sie konnte den hohen Kaufpreis-Betrag für ein hochrentables Friseurunternehmen weitgehend mit einem Kredit der bisherigen Hausbank des Verkäufers finanzieren. Der hatte dabei kräftig mitgeholfen, weil er sofort viel Vertrauen zur Tüchtigkeit der Käuferin hatte. Neulich sagte mir die Käuferin stolz, daß sie die Mitarbeiter und Kunden alle halten konnte. Eine ungewöhnliche Leistung. Und warum? Weil sie, auf des Verkäufers und meines Rates hin, zunächst so gut wie nichts verändert hatte. Dieses Beispiel sollte jungen Friseuren Mut machen, sich an größere Objekte zu wagen.

 

Doppelbelastung durch einen Kleinst-Betrieb

Die Meisterschullehrer, die ich kenne, berichten mir übereinstimmend von einem starken Drang zu kleinsten Betrieben. Da wird für Klit­schen viel zu viel bezahlt, z.B. 20.000,- Euro, und für echte "Schnäppchen" werden keine 70.000,- Euro ausgegeben. Vor allem junge Friseurinnen scheuen die Doppelbelastung von Fa­milie und größerem Betrieb. Glauben Sie mir, die Doppelbelastung durch einen Kleinst-Betrieb ist genauso hoch. Ott sogar noch höher, weil Ausfall des Inhabers gleich Ausfall des Betriebes ist. Mit einem klaren Konzept, sorgfältig zu Papier gebracht (profes­sionelle Hilfe durch einen EDV-sicheren Fachmenschen ist ratsam), bekommt ein Friseur auch heute noch Kredit bei einer Bank. Das Konzept kann sich sowohl auf Neueröffnung als auch auf Übernahme beziehen. In unserem Ergänzungspaket für Existenzgründer befindet sich auch ein Planungsmodell, das von Ist-Zahlen ausgeht. Eine solche Planung ist nicht nur bei Geschättskäufen sinnvoll, sondern sollte zum laufenden Pflichtprogramm eines Friseurunternehmers gehören. Ich wurde schon öfter gefragt: Wie beurteilen Sie, ob ein Friseur auch Unternehmer ist? Stark vereinfacht sage ich dann: Wenn er in der Lage ist, eine Umsatz-, Kosten-, Gewinn,- und Marketing Mix-Planung für das nächste Jahr zu machen und er es auch tut, dann ist er Unternehmer.

 

Faustregel für Anlaufkosten

Nun noch ein paar Worte zur Finanzierung. Das wird alles in diversen Existenzgründer-Broschüren (z.B. von Handwerkskammern oder Banken) behandelt und ist auch Stoff der Meisterschulen. Deshalb gehe ich hier nicht weiter darauf ein. Aber nochmal der Hinweis: Zu finanzieren ist bei einer Neueröffnung nicht nur die Einrichtung, die Betriebsmittel und das Warenlager, sondern auch die Eröffnungswerbung (für Mitarbeiter und Kunden) und eine Anlaufzeit, in der die geplanten Soll-Umsätze noch nicht erreicht werden. Mit einer geschickten Eröffnungspromotion können in den ersten Tagen Tages-Umsätze oberhalb der Sollmarke erreicht werden, danach kommt aber fast immer ein Abfall, weil die Erst­besuche nachlassen und die Zweitbesuche auf sich warten lassen. Deshalb nicht zuviel Euphorie in den ersten Tagen und da­nach nicht gleich depressiv werden! Als Faustregel für Anlaufkosten sollten zwei Monatsumsätze als Finanzbedarf eingeplant werden. Wenn sie nicht gebraucht werden, um so besser. Bei Geschäftsübernahmen ist das viel einfacher. Da müssen der Kaufpreis und unvermeidbare Sofortinvestitionen finanziert wer­den.Wenn der Verkäufer des Geschäftes, was nicht selten ist, zugleich auch der zukünftige Vermieter ist, kann es für den Käufer recht günstig sein: Der Verkäufer hat ein Interesse am langjährigen Erfolg des Mieters, was sich nicht selten in einem günstigen Kaufpreis ausdrückt.Außerdem ist das Geschäft oft für einen niedrigeren Kaufpreis zu­gunsten einer höheren Miete zu haben. Das erleichtert die Finan­zierung, selbst wenn es langfristig bei den Kosten kein Vorteil sein wird.Übrigens schließt das eine das andere nicht aus. Geschäftsüber­nahme kann er erste Schritt sein und dann ein paar Jahre später der Umzug an einen besseren Standort in neue Räume. Junge Friseur­unternehmer sollten nicht zu schnell und sofort das Maximum an­streben, sondern in größere Aufgaben Schritt für Schritt und in Etappen hineinwachsen. Die Überlebenschancen von Existenzgründungen mit Existenzgrün­dungshilfen der öffentlichen Hand sollen wesentlich höher sein als bei anderen Existenzgründungen. Meiner Meinung nach liegt das an der systematischen Informationsbeschaffung und gründlichen Planung, die notwendig ist, um an solche Mittel zu kommen.

 

Existenzgründungsberatungen für Friseure

Die Handwerkskammer-Berater sind Spezialisten

Die Beratung ist preiswert, wenn nicht sogar kostenlos und auch in dem Sinne nützlich, daß die Kreditgarantiegemeinschaften des Hand­werks eng mit den Kammer-Beratern zusammenarbeiten. Auch bei den Banken gelten die Handwerkskammer-Berater als kompetent und seriös. Freilich fehlen ihnen oft friseurspezifische Kenntnisse. Auch Berater von Landesverbänden (z.B. in Hessen, Rheinland) führen Existenzgründungsberatungen durch. Die sind meistens bran­chenspezifischer, aber auch teurer. Im Friseurhandwerk gibt es auch freie Berater, die Existenzgrün­dungsberatungen durchführen. Die sind zwar recht teuer, es gibt da­für aber staatliche Subventionen. Zu den staatlich geförderten Beratungen ein offenes Wort: Ich war vor vielen Jahren der erste freie Berater, der gegen den Widerstand der Handwerkskammern erreichte, daß Beratungen im Handwerk durch freie Berater aus Gewerbeförderungsmitteln subventioniert wurden. Nach einigen Jahren habe ich solche Beratungen nicht mehr durchgeführt, weil der zusätzliche Aufwand für die geforderte Bericht­abfassung den Subventionsvorteil fast völlig aufzehrte. Aus formalen Gründen mußten nämlich im Beratungsbericht oft ganz andere Dinge stehen, als in der Beratung tatsächlich behandelt wurden. Das gilt aber mehr bei Beratungen für bestehende Salons.

Von den 35 Themen im ersten Teil dieses Buches wären noch nicht einmal 10 für solche Beratungsberichte relevant. Inzwischen sollen die Anforderungen an die Beratungsberichte weniger bürokratisch sein, trotzdem behindern und/oder verteuern sie oft eine zweck­mäßige Beratung.

 

Aussicht auf Subventionen

Die Aussicht auf Subventionen vernebelt nicht selten den Blick für die absoluten Kosten der Beratung. Das erinnert mich an Leute, die Dinge kaufen, weil sie billiger sind, ohne den wirklichen Bedarf zu haben. Ich rate jedem Friseur, auch wenn er nicht mehr Existenzgründer ist, zunächst nur einen Beratungstag zu buchen und davon den weiteren Beratungsbedarf abhängig zu machen. Ein Existenzgründer sollte auch nicht gleich einen Coachingvertrag mit einem freien Berater abschließen, sondern sich auch da die Entscheidung eine Weile offen halten.Die Unternehmensberater der Lieferfirmen sind häufig nicht auf Existenzgründungsberatung spezialisiert und haben meistens auch nicht die langjährige Erfahrung, die dafür notwendig ist. Ich würde es begrüßen, wenn sich das in nächster Zeit grundlegend ändert.Sinnvoller als eine Einzelberatung ist zunächst der Besuch eines Existenzgründer-Seminars. Das bieten Kammern, Lieferfirmen oder auch freie Berater an. Die Seminarleiter sind meistens auch Berater. Deshalb kann im Seminar getestet werden, ob die "Chemie" und das Wissen stimmen. Das ist übrigens auch ein Tip für spätere Bera­tungen. Bei Geschäftsverkäufen tauchen in der letzten Zeit Berater an der Seite der Verkäufer auf. Solange das branchenspezifische Berater sind, ist die Sache grundsätzlich in Ordnung, aber Vorsicht ist ange­zeigt, wenn sie sich als "ehrliche Makler" aufspielen. Das können sie als freie Berater nicht sein, wenn es Teil des Beratungsauftrages ist, ein Geschäft günstig für den Verkäufer, also möglichst mit einem hohen Kaufpreis, zu verkaufen.Bei den Beratern der Zulieferfirmen ist die Sache wieder etwas anders, weil die Zulieferfirmen in aller Regel ein größeres Interesse am zukünftigen als an dem ehemaligen Kunden haben.Im Rahmen der Betreuungstätigkeit der Mitglieder der Coiffeur-Cooperation stoßen wir immer wieder auf unseriöse Beratungs­angebote. Oft erkennen wir diese schon am Briefkopf. Auf der einen Seite blumige Namen, auf der andern Seite unvollständige Firmen­bezeichnung oder fehlende Handelsregister-Nummer bei GmbH's. Im Gegensatz zum "Friseurmeister" ist der Titel "Unternehmensberater" nicht geschützt. Jeder kann sich so nennen. So lassen sich arbeitslos gewordene Manager meistens als erstes eine Visitenkarte mit dem Titel "Unternehmensberater" drucken. Auch bei gescheiterten Fri­seuren habe ich das schon beobachtet.

 

Prüfung der Verträge

Unterschreiben Sie nie Verträge sofort, sondern bitten Sie darum, Ihnen das schriftliche Vertragsangebot zur Prüfung zu überlassen. Das fürchten die unseriösen Vertragspartner wie der Teufel das Weihwasser. Gesundes Mißtrauen ist für Existenzgründer von Nutzen. Im Zweifelsfall sollte Rat bei der Handwerkskammer einge­holt werden. Die Fachverbände sind, wenn sie nicht selber Berater haben, in dieser Hinsicht hinsichtlich zuverlässiger Auskünfte fast ohne Ausnahme überfordert.

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