Professionalisierung in der Friseurbranche

Die Suche nach Gründen für die ausgebliebene Professionalisierung

PROFESSIONALISIERUNG IM DÄMMERZUSTAND

Die Suche nach Gründen für die ausgebliebene Professionalisierung im Hinblick auf friseurfachliche und kaufmännische Inhalte fördert insbesondere drei Erklärungen zu Tage.

Bereits seit Jahrzehnten besteht das primäre Bestreben handwerklicher Aus- und Weiterbildungsangebote darin, in den Salons die Anzahl verkaufter Dienstleistungen pro Salonkunden zu erhöhen. Bedingt durch die vielfach geforderte Erhöhung des Dienstleistungsfaktors steht damit seit Langem das „Was“, nämlich die angebotenen Dienstleistungen selbst, im Vordergrund des breit gefächerten Angebotes an Seminaren, Produkten und Beratungsansätzen. Während die zu Grunde liegende Intention per se nicht verkehrt ist, hat sich der Dienstleistungsfaktor im Laufe der Jahrzehnte kaum verändert und schwankt im Durchschnitt um den Wert 2. Es scheint, als ob entweder in der Vergangenheit mehr falsch als richtig gemacht wurde oder als ob seitens der Salonkundschaft schlichtweg kein höherer Bedarf besteht.

Wie verhält es sich nun mit dem „Wie“, also der Art und Weise der Dienstleistungserbringung? Im Vordergrund sollte hier eine Weiterentwicklung hin zur größtmöglichen Effizienz stehen; das große Stichwort lautet „Produktivität“ (das Verhältnis von Input und Output). Ein branchenfremdes Beispiel verdeutlicht den Punkt: Während für den Bau eines Volkswagen Golf V im Jahr 2003 noch 50 Stunden veranschlagt wurden, lag die avisierte Bauzeit nur wenige Jahre später bereits bei 30 Stunden. Die Produktivität wurde also fast verdoppelt. Die Schlüsselfrage lautet also: „Wie kann ich ein fest definiertes Ergebnis (bspw. einen Haarschnitt) mit dem geringstmöglichen Einsatz (Zeit) erreichen?“ Die Antwortet lautet: Standardisierung. Trotz seiner überragenden Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit eines Salons wird diesem Thema in der breiten Masse eine scheinbar nur untergeordnete Bedeutung beigemessen. Ein großes Manko…

Gleichermaßen rar gesät sind die Möglichkeiten für Friseure, sich gezielt betriebswirtschaftlich weiterzubilden. Auf der einen Seite liegt das am Angebot. Die allgemeine Betriebswirtschaftslehre ist relativ weit entfernt von der Management-Praxis kleiner Dienstleistungsunternehmen. Hinzu kommt, dass (angehenden) Friseuren in den Berufsschulen und Meisterkursen nicht die Inhalte vermittelt werden, derer es bedarf, um professionell ein Unternehmen zu führen. Auf der anderen Seite liegt das allerdings auch an der Nachfrage nach entsprechenden Weiterbildungsangeboten. Erst in den letzten Jahren ist es hier zu einem kleinen Aufschwung gekommen, der unbedingt fortgesetzt werden muss.

QUO VADIS, MARKT DER FRISEURE?

               Wohin geht die Reise also in den nächsten Jahren? Insbesondere zwei aktuelle Entwicklungen werden das Gesicht der Branche in den kommenden Jahren nachhaltig verändern und das Handwerk vor neue Herausforderungen stellen. Des einen Leid ist jedoch auch hier wie so oft des Anderen Freud. Wer sich frühzeitig mit den Herausforderungen von morgen beschäftigt, wird sein Unternehmen gestärkt in die Zukunft führen.   

               Kurzfristig wird dabei vor allem die bundeseinheitliche Einführung des Mindestlohnes von 8,50 Euro ab dem 01.08.2015 die Kalkulationsbasis vieler Salons noch auf die Probe stellen. Bei 251 angenommenen Arbeitstagen pro Jahr bedeutet der Mindestlohn eine Bruttovergütung von mindestens 1.422,33 Euro pro ausgelernte Vollzeitkraft. Multipliziert mit 3,5 ergibt das stark vereinfacht eine monatliche Mindestumsatzerwartung von 5.000 Euro (inkl. MwSt.). Wenn diese dauerhaft aufgrund mangelnder Auslastung, mangelnder Qualität oder einem schiefem Preisgefüge nicht erwirtschaftet werden kann, wird es wohl oder übel zu Kündigungen kommen. Sofern die gekündigten Mitarbeiter keine neue Anstellung finden, wird sich ein Teil dieser selbstständig machen, vorwiegend wohl als Einzelkämpfer. Ergo wird die Zahl der Friseurunternehmen voraussichtlich weiter steigen, der Wettbewerb zunehmen.

               Auch am Ausbildungsmarkt hat sich die Situation gravierend verschlechtert. Lag die Zahl der Auszubildenden im Friseurhandwerk im Jahr 1993 noch bei 40.155, hat sie sich innerhalb der letzten 20 Jahre um 37,9% (!) auf 24.920 im Jahr 2013 reduziert. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von der demographischen Entwicklung über das negativ behaftete Image der Friseurbranche bis hin zur zunehmenden Akademisierung unserer Gesellschaft. Hinzu kommt, dass sich die Qualität des Ausbildungsbestandes verschlechtert hat. Für den Großteil der mittelständischen Salons ist es dann umso beunruhigender, dass alleine das größte deutsche Filialunternehmen Klier laut eigenen Angaben plant, 800 neue Auszubildende einzustellen. 800 Auszubildende. Das sind rund 10% des kompletten ersten Ausbildungsjahrganges! Der in anderen Branchen bereits viel präsentere „Battle for Talent“ ist also längst ausgebrochen. Friseurunternehmen, die jetzt kein konsequentes Ausbildungs- und Arbeitsplatzmarketing betreiben, werden diesen Kampf im Zweifelsfall verlieren. Alles was ihnen bleibt ist die Hoffnung auf viel Glück, das Einstellen potentieller Problemfälle oder die Nichtbesetzung eigentlich offener Stellen.

               Allein die beiden beschriebenen Faktoren werden die Mikronisierung der Branche weiter vorantreiben. Während die Anzahl der Salons voraussichtlich weiter zunehmen wird, werden die Saloneinheiten immer kleiner. Diese Entwicklung ist bereits in vollem Gange: Noch 1995 wurden in 67.798 Betriebsstätten laut Handwerkszählung 256.524 Vollkräfte beschäftigt, also im Schnitt 3,8 Vollkräfte pro Salon. Im Jahr 2013 lag der Schnitt schon bei 2,1 Vollkräften pro Salon (190.923 Vollkräfte bei 91.755 Betriebsstätten). Das zieht schwerwiegende Konsequenzen nach sich. Zum Einen wird es für viele Salons schwieriger, Weiterbildungsangebote überhaupt anzunehmen. Je geringer die Anzahl der Schultern ist, auf denen sich die anfallende Arbeitslast verteilen lässt, desto unrealistischer wird es, den Salon für Weiterbildungsmaßnahmen zu verlassen. Zum Anderen wird die Arbeit der örtlichen Innungen, deren Situation bereits heute nicht einfach ist, weiter erschwert. Aufgrund der geringeren Betriebsgröße werden wohl mehr und mehr Unternehmen auf eine Innungsmitgliedschaft und die damit verbundenen Beiträge verzichten. Die Folge: eine in der Breite zunehmend schlechter organisierte Basis des Handwerks, die eine gezielte Standesvertretung gegenüber der Politik verkompliziert.

ÜBER LICHTBLICKE UND CHANCEN

               Benjamin Franklin hat einmal gesagt, dass es keine Kunst ist, eine Chance zu sehen, sondern dass die Kunst darin besteht, eine Chance als erster zu sehen. Treffender könnte man die aktuelle Situation kaum zusammenfassen.

               Es gibt nahezu keine Studie oder Forschungsarbeit zum Konsumverhalten, die nicht bestätigt, dass die mit dem Thema Schönheit verbundene Selbstinszenierung des eigenen Auftritts einer der großen Trends unserer Zeit ist und vor allem auch weiterhin bleiben wird. Es liegt auf der Hand, dass gerade Friseurunternehmer als einer der wichtigsten Schönheitsdienstleister überhaupt hiervon nur profitieren können. So hatten beispielsweise laut einer Umfrage des Forschungsinstituts IfD Allensbach im Jahr 2013 42,6 Millionen Menschen in Deutschland – also rund die Hälfte der Bevölkerung – ein Interesse an Haarpflege und Frisuren, 16,1 Millionen davon sogar ein besonderes Interesse. Dieses Potenzial sollten Sie nutzen, bevor andere es tun.

 

MARKTLÜCKE Themenheft „Friseurunternehmer“

MARKTLÜCKE-Chefredakteur Dieter Schneider fasst in seinem Themenheft „Friseurunternehmer“ alle Informationen rund um die Besonderheiten der Betriebswirtschaft für Friseure zusammen – kompakt, kompetent und mit dem Blick fürs Detail. Das Themenheft erhalten Sie zum Preis von 20,- Euro (zzgl. MwSt.).

 

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d.ruecker@glynt.com


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