Sind Bewerber immer ehrlich?

Frischfleisch auf dem Arbeitsmarkt, denn im Juli machen die meisten Azubis ihre Gesellenprüfung

Nicht jeder Friseur sagt bei der Einstellung die Wahrheit

Die besten Bewerber herausfischen

"Alle Jahre wieder: im August dreht sich das Personalkarussell. Der Grund: 'Frischfleisch' auf dem Arbeitsmarkt, denn im Juli machen die meisten Azubis ihre Gesellenprüfung. Aber Achtung: Nicht jeder Friseur sagt bei der Einstellung die Wahrheit und die wenigsten Chefs wissen, worauf es bei der Personalsuche wirklich ankommt." sagt Hannes Friedl, Friseurcoach und Unternehmensberater für Friseure. Mal ehrlich, liebe Unternehmer der schneidenden Zunft: Wie viele Mitarbeiter musstet ihr küssen, bis die erste Prinzessin oder der erste Prinz dabei war? Oder knutscht ihr immer noch?... Jaja, die Mitarbeitersuche ist ein schwieriges Thema. Zum einen, weil man nur beschränkt Zulauf bekommt von wirklich hochpotenziellen jungen Friseuren, zum anderen, weil man von den frisch geprüften Gesellen meistens zu allererst mal die Geselligkeit übernimmt und erst in zweiter Linie vollen Einsatz und Bombenmotivation. Die Chance, einen Mitarbeiter zu finden, der von der ersten Sekunde in dein Geschäft passt und dann noch die dicken Umsätze macht, war vor zwanzig Jahren schon gering, heute ist sie definitiv bei null. Warum das so ist? Weil zum einen immer mehr nicht geeignete Friseurausbilder überhaupt Personal ausbilden und weil sich die Kids halt heute einfach mit viel mehr beschäftigen müssen, als noch vor zwanzig Jahren. Sprich: die Ablenkung ist viel größer, als das vor Jahren noch der Fall war. Und hätten wir in den Vierzigern all die Verlockungen, wie täglich Party, Internet und weiß Gott was zur Verfügung gehabt, wir hätten wohl auch länger gebraucht, um unseren Karriereweg zu finden. Ich denke, die jungen Leute, die wir heute in die Unternehmen bekommen, sind im Grunde immer noch die gleichen, wie vor vielen Jahren. Wir müssen die Herausforderungen annehmen und heute wesentlich mehr erklären, diskutieren, vergeben und vor allem Wege aufzeigen, um Jungfriseure zu entwickeln und zu wichtigen Mitgliedern unserer Teams zu machen. Ausnahmen bestätigen natürlich heute wie damals die Regel.

 

Was tun, um einen vernünftigen Bewerber zu finden?

So wie wir den Job und das Unternehmersein gelernt haben, wird heutzutage immer noch mehr das Fachliche vom Chef beim Vorarbeiten geprüft. Verständlich, denn man sucht ja nach einem Friseur. Dass aber der menschliche Aspekt inzwischen eine weit größere Rolle spielt, als das reine Handwerk ist bei den oben genannten Herausforderungen selbstredend. In kürzester Zeit muss also ein potenzieller Mitarbeiter gefunden werden, der schnell viel Umsatz macht, gute Laune verbreitet, keine Flausen im Kopf hat, zuverlässig ist und dabei am besten noch gut aussieht. Inwieweit man dann auf Dauer hohes Potenzial zu entwickeln hat und ob dieser Bewerber dann auch über das nötige Mass an Kontinuität und Durchsetzungsvermögen mitbringt, bleibt bei den Einstellungsgesprächen meist auf der Strecke. Dabei sind es doch vor allem gerade diese Eigenschaften, die einen potenziellen Mitarbeiter für eine Arbeitsstelle in ihrem Salon qualifizieren. Was also tun, um mehr über Geisteshaltung und den "Menschen Bewerber" zu erfahren? Was also tun, um überhaupt einen vernünftigen Bewerber zu finden. Was also tun, um einen frisch eingestellten Jungfriseur so auf Zack zu halten, dass der dann auch langfristig am Ball bleibt und gute Zahlen und Teamstimmung produziert?... Ganz sicher lohnt sich das Warten auf die eierlegende Wollmilchsau, die bildhübsch und topmotiviert mit einem Rieseneifer und einem Riesenkundenstamm in Ihr Unternehmen kommt und vom direkten Mitbewerber am Ort ist, eher nicht.

 

Kontinuierlicher Kontakt zur Berufsschule ist hilfreich

Um überhaupt mal eine gute Bewerbung in den Laden zu bekommen, ist grundsätzlich ein direkter und kontinuierlicher Kontakt in die Berufsschule hilfreich. Wer nicht in der Innung ist oder selbst gar nicht ausbildet, ist hier klar im Nachteil. Aber auch selber Schuld! Der Vorteil eines direkten Drahts zur Berufsschule liegt auf der Hand: Im Gespräch mit ÜBL-Leitern oder Klasslehrern lässt sich schnell herausfinden, ob in der jeweiligen Berufsschulklasse potenuiell gute Nachwuchsfriseure sind. Eine der wenigen Situationen, in der man sich nicht des Unkollegialen durch Abwerbung schuldig macht, ist die Zeit in den letzten drei Monaten vor der Gesellenprüfung. In dieser Phase haben die meisten deiner Kollegen noch nicht entschieden, ob ein Azubi übernommen wird, oder nicht. Bist du mit deinem Angebot bei einem "Frischling" in dieser Zeit schneller, dann läuft der Ausbildungsvertrag aus und keiner kann meckern, wenn der Azubi als guter Jungfriseur in Ihr Unternehmen wechselt. Wie beim Fussball: Wenn ein Vertrag ausläuft, dann muss er zeitig verlängert werden, weil der Spieler sonst ablösefrei zum Konkurrenten wechseln kann. Und das tut meist doppelt weh: Der gute Spieler ist weg und man hat noch nicht mal Geld dafür bekommen... So mancher Friseur bezahlt seinem Azubi, den er nach der Prüfung übernimmt auch eine Ablöseprovision, wenn der sich an der Berufsschule kümmert und gute Nachwuchskräfte anquatscht. Auch deshalb ist eine Innungsmitgliedschaft von gewaltigem Wert.

 

Karrierechance oder bloß ein normaler Job?

Hast du nun den einen oder anderen interessanten Kontakt, dann musst du dich entscheiden, wie es weitergeht: Karrierechance oder bloß ein normaler Job? Die meisten Friseurunternehmer sind leider - warum auch immer- nicht sehr begeistert vom eigenen Unternehmen. Einem potenziellen neuen Teammitglied muss aber möglichst detailliert erzählt werden, wo die Reise für ihn nach einer Einstellung hingeht. Ein sogenannter Karriereplan, bei dem Sie einen Mitarbeiter ausgehend von zwei bis drei Tagen miteinander arbeiten, bewerten und ihm dann individuell aufzeigen, wo er gut ist und an welchen Stellen er sich noch verbessern muss, ist heute bei guten Betrieben schon fast eine Selbstverständlichkeit. Genauso wie eine Zielplanung bis zum Erreichen des Sollumsatzes. Für junge Leute ist Struktur und Verlässlichkeit ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Wahl eines Jobs. Es ist also von Seiten eines Chefs hier viel Arbeit angesagt. Hat Ihnen der Bewerber also bei der Arbeit im Großen und Ganzen gefallen, dann geht es im Gespräch nun in die Vollen: Es gilt herauszufinden, inwieweit das Mädel oder der Bursche auch nach vorn will in seinem Friseurleben.

 

Folgender Auszug aus „Fragen für das Einstellungsgespräch" hat sich über die Jahre ganz gut bewährt:

 

Zieldenken

Denken Sie sich zwei Jahre nach vorne: Wie wollen Sie, dass man über Sie spricht? Ich als Ihr Chef, Ihr Team & Ihre Kunden.

Wir haben ein halbes Jahr Probezeit: Was wollen Sie in diesem halben Jahr schaffen?

 

Leistungsorientierung

Wer, denken Sie, bezahlt Ihr Gehalt?

Wie viel Umsatz, denken Sie, müssen Sie bringen, um eine feste Größe in diesem Team zu sein?

Wie lange, denken Sie, dauert es, um Ihren Sollumsatz, das sind ....Euro, zu erreichen?

Könnten Sie sich vorstellen, nur auf Provision hier zu arbeiten?

Sie verdienen zum Start .....Euro. Ihr Arbeitsvertrag beinhaltet eine Provisionsregelung. Wie hoch soll Ihr Gehalt in einem Jahr sein?

 

Bewerbung & Bewusstsein

Warum haben Sie gerade hier beworben?

Was, denken Sie, können Sie hier im kommenden Jahr lernen?

Auf einer Skala von 1 bis 10. Wie gut sind Sie als Friseurin. Wie wichtig sind Sie für ein Team?

Wo liegen Ihre Stärken als Friseurin?

Wo liegen Ihre Stärken als Teammitglied?

Nach einer Erzählung der Stärken des Betriebs: Was, denken Sie, können Sie dazu beitragen, dass das Geschäft noch besser geht und es allen hier noch mehr Spaß macht zu arbeiten?

 

Beratung & Verkauf

Was, denken Sie, ist wichtig bei einer Kundenberatung?

Welche Rolle, denken Sie, spielt bei einer Frisur die Haarqualität?

Denken Sie, Ihre Kunden wissen alles und wir sind nur die Macher? Bei nein: Wie überzeugen Sie Ihre Kunden zu etwas anderem/Neuen? Bei ja: Gespräch beendet.

Auf einer Skala von 1 bis 10: wie stark sind Sie beim Überzeugen? Wie gut können Sie Kunden beraten?

 

Einstellung

Nur ein Gedanke: Sie waren auf der Piste und fühlen sich am Tag danach etwas unwohl: Was tun Sie? a. Tablette und los geht´s, b. mit angezogener Handbremse arbeiten gehen, c. daheim bleiben, so bringe ich dem Betrieb keinen Nutzen.

Wie wichtig ist arbeiten für Sie?

Wie arbeiten Sie am liebsten. a. ruhig, konzentriert, relaxed, b. unter Strom, c. möglichst schnell, Kunden wollen nicht warten.

Wie wollen Sie geführt werden: a. mit Peitsche & Zuckerbrot, b. eigenverantwortlich arbeiten, keine Führung, c. offen, ehrlich und kritisch

Das ist der Plan

Also nochmal zusammengefasst:

  1. Vorarbeiten, wenn geht bitte nicht nur einen Tag.
  2. Nach dem Vorarbeiten kurze, ehrliche Manöverkritik.
  3. Neuen Termin ausmachen für ein persönliches und finales Gespräch.
  4. Im Gespräch von deinem Unternehmen und dem voraussichtlichen Weg des Mitarbeiters erzählen.
  5. Immer wieder Fragen aus oben genanntem Fragenkatalog einstreuen. Glaube mir, du wirst die Antworten richtig zu deuten wissen.
  6. Den Arbeitsvertrag sauber ausgedruckt mir den wesentlichsten Daten (Adresse) etc. mitbringen. Gehalt und Ablaufplan der Einführung in den Betrieb wird dann händisch ausgefüllt.
  7. Nach dem Gespräch fünf bis zehn Minuten Pause einstreuen, damit du Zeit gewinnst, um für dich selbst Klarheit zu gewinnen und nochmals deine Notizen zu studieren.
  8. Starttermin ausmachen und starten, oder absagen und mit einem Dankeschön die Unterlagen übergeben.

 

Nehme dir zu Beginn mehr Zeit, um deine Bewerber kennenzulernen

Sicher ist dieser Weg für den einen oder anderen von dir recht langwierig und ungewöhnlich. Mit den letzten Jahren Erfahrung im Gepäck möchte ich dir aber zurufen: nehme dir zu Beginn mehr Zeit, um Ihre Bewerber kennenzulernen, dann bringt dir das besseres Personal und spart eine Menge Enttäuschung. Du weißt doch: Du musst jeden Bewerber erstmal in deine Richtung bringen, damit das Fachliche passt. Wenn du einen Menschen einstellst, der schlampig ausgewählt wurde, dann bringt er dir evtl. den ganzen Laden durcheinander.

Also: ab in die Innung und dann auf die Jagd nach deinem zukünftigen Personal. Sonst musst du bald selber die Eier legen!

Herzlichen Gruß

Ihr
Hannes Friedl

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