Startschuss Kündigung

Eine Kündigung bedeutet nicht zwangsläufig das Ende der Karriere. Im Gegenteil, sie kann der Beginn einer weitaus erfüllenderen, selbstbestimmten Tätigkeit sein, meint das Autoren-Ehepaar Eva-Maria und Wolfram Zurhorst.

Das Tem von MenschenImSalon hat diesen interessanten Artikel in einer Fachzeitschrift gefunden. Das Spannendste haben wir hier für Sie zusammengefasst:

 

DIE WELT: Ihr neues Buch heißt „Liebe dich selbst, auch wenn du deinen Job verlierst". Wie ist es Ihnen selbst in beruflichen Krisen ergangen?

 

Wolfram Zurhorst: Bei mir war es so, dass ich vor ungefähr sechs Jahren von einem Tag auf den anderen gekündigt wurde. Der Jobverlust kam für mich völlig überraschend. Kaum hatte ich mein Büro geräumt, da fiel ich in ein tiefes Loch. Ein Gefühl der Hilflosigkeit und der Hoffnungslosigkeit setzte bei mir ein: Ich fühlte mich meiner Rolle als Mann und Ernährer beraubt.

Eva-Maria Zurhorst: Ich arbeitete vor einigen Jahren als PR-Managerin und war, von außen betrachtet, ausgesprochen erfolgreich. Dieses äußere Bild stimmte aber nicht mit dem inneren überein. Während ich immer neue Verantwortlichkeiten übernahm, litt ich zunehmend unter Herz-Rhythmus-Störungen und hatte schließlich einen Nervenzusammenbruch. Was ich vorher die ganze Zeit weggeschoben hatte, war jetzt klar: Wenn ich mir treu bleiben will, kann ich in diesem Job nicht mehr funktionieren. Nachdem ich meine Stelle aufgegeben hatte, litt ich zunächst unter enormen Existenzängsten.

 

Mittlerweile haben Sie zwei Bestseller veröffentlicht, halten Vorträge und führen ein Coaching-Unternehmen. Eine der Kernaussagen Ihres Buches ist, dass man berufliche Krisen als Chancen für einen beruflichen Neustart nutzen sollte. Überspitzt gesagt bedeutet das, dass man sich über einen Job-Verlust, ein Burn-Out-Syndrom oder eine Pleite freuen sollte, weil einen diese Ereignisse zwingen, das Leben neu zu überdenken.

 

Wolfram Zurhorst: Es wäre sicherlich unpassend, jemandem, der seinen Job verloren hat, zu sagen: Freu dich, weil dir gekündigt wurde, jetzt geht es richtig für dich los!" Im Grunde genommen stimmt es aber. Ich bin im Nachhinein dankbar, dass ich rausgeworfen wurde und dadurch einen wichtigen Impuls fair meine weitere Entwicklung bekommen habe. Allerdings muss man sich klar machen, dass es eine gewisse Zeit dauern kann, bis man den neuen Weg wirklich erkennen kann. Und dass man oft durch einen nicht immer angenehmen Selbstentdeckungsprozess gehen muss, bis man so weit ist, sich neu zu orientieren. Ich habe mich damals beworben und mit Personalberatern gesprochen. Aber, im Gegensatz zu früher, kam auf einmal nichts, kein einziges Jobangebot. Ich brauchte die volle Packung, um zu erkennen: Der Weg zurück in mein altes Leben ist versperrt.

Eva-Maria Zurhorst: Es gibt Situationen, in denen stellt man plötzlich fest, dass das alte Leben einem überhaupt nicht mehr gepasst hat. Ich habe früher als Journalistin gearbeitet und dabei oft unter den strengen Vorgaben gelitten, die ich dabei einhalten musste - die Themen, die Textlängen, der Stil, alles wurde im Voraus festgelegt. Heute kann ich schreiben wie ich will, bis dahin war es allerdings ein weiter Weg. Es hat Jahre gedauert. Einen solchen Weg gibt es für jeden Menschen in seinem Kontext.

 

Wirklich? Auf Selbstständige und Menschen, die in Kreativbranchen arbeiten, lassen sich ihre Thesen nachvollziehbar übertragen. Was aber macht eine Sachbearbeiterin oder ein KFZ-Mechatroniker?

 

Eva-Maria Zurhorst: Mittlerweile haben wir so viele Menschen bei diesem Prozess begleitet, dass ich sagen kann: Unsere Aussagen sind auf jede Branche übertragbar. Jeder muss seinen ganz individuellen Weg finden. Die einzig allgemeingültige Formel: Kleine Krise - kleine Schritte und geringerer Veränderungsbedarf. Doch wer große Einschnitte erlebt hat oder in hohem Bogen raus-fliegt, muss auch große Schritte tun, egal ob es sich dabei um einen Werbetexter oder um einen Sachbearbeiter handelt.

 

Nicht jedem gelingt es, eine berufliche Krise positiv umzusetzen. Was muss man tun, um sie wirklich als Chance nutzen zu können?

 

Wolfram Zurhorst: Einen Neustart schaffen diejenigen, die nicht die Schuld bei anderen suchen und sich in Selbstvorwürfen ergehen. Es ist normal, dass man sich zunächst aufregt. Man flucht, schimpft, macht andere für sein Schicksal verantwortlich. Und wenn die ganze Wut draußen ist, sollte man sich irgendwann der Frage stellen: Wozu war das Ganze gut? Was wollte ich eigentlich schon lange nicht mehr? Und was ist scheinbar von draußen initiiert worden, das aber eigentlich - wenn ich ehrlich und konsequent gewesen wäre - von mir hätte ausgehen müssen?

 

Viele Menschen fürchten bei einem Neustart den Verlust der materiellen Sicherheit.

 

Eva-Maria Zurhorst: Solche Ängste sind begründet, in dieser Hinsicht möchten wir niemandem etwas vormachen. Der Lebensstandard kann sich für viele Menschen in den nächsten Jahren drastisch einschränken. Allerdings geht mit dem Verlust von materiellen Gütern oft auch eine innere Befreiung daher. Ein Beispiel: Frauen wünschen sich oft, dass Männer mehr zuhause sind und sich mehr um die Kinder kümmern. Allerdings sind sie kaum bereit zu akzeptieren, dass der Lebensstandard darunter leiden kann. Wir möchten, dass sich die Menschen dieser neuen Realität stellen und neue Wege für sich finden.

 

Kann man sich gegen Krisen innerlich wappnen?

 

Wolfram Zurhorst: Unserer Erfahrung nach gibt es immer wieder Einschnitte. Trotzdem sollte man sich nicht darauf einrichten, dass eine Krise kommt. Solche Gedanken würden einen lähmen. Man sollte so lange vorangehen, wie man vorangehen kann. Im Moment erleben wir viele Menschen, die am Ende ihrer Kräfte sind und bei denen nichts mehr vorangeht. Entweder man zerbricht an solch einer Situation oder man lernt, mit ihr umzugehen und an ihr zu wachsen. Wer in Krisensituationen lediglich an alten Standards und Werten festhält, droht ängstlich und frustriert zu werden.

 

Die Fragen stellte Kirsten Schiekiera

 

Bekannt wurde Eva-Maria Zurhorst durch den Ratgeber „Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest". Heute verfasst sie gemeinsam mit ihrem Mann Sachbücher und arbeitet als Paartherapeutin und Coach. Eva-Maria Zurhorst war ursprünglich Journalistin und hat unter anderem in Südafrika und Ägypten gearbeitet. Später wechselte sie als Kommunikationsberaterin in die Wirtschaft. Ihr Mann Wolfram war jahrelang als Manager in der Textilbranche tätig. Das neue Buch „Liebe Dich selbst, auch wenn du deinen Job verlierst" erschien im November 2009 bei Goldmann und kostet 18,95 Euro.

 

Quelle:  Die Welt, 9. Januar 2010

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