Wir sehen uns vor Gericht!

Eine Kündigung bekommen? Keine Panik, so leicht verliert man in Deutschland seinen Job nicht. Meist folgt ein Gerichtsverfahren. Die wichtigsten Regeln dafür lesen Sie hier.

MenschenimSalon hat für Sie einen Artikel des Autors Volker Hagemeister aus der FAZ vom 26. Juli 2008 zusammengefasst.

 

1. Welche Fristen gelten?

Die Fristen sind das Wichtigste, an das Arbeitnehmer nach Erhalt einer Kündigung denken müssen. Wer sich gerichtlich gegen eine Kündigung wehren will, muss innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht klagen. Das gilt für ordentliche wie für außerordentliche Kündigungen und unabhängig davon, ob das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist.

Für die Fristberechnung kommt es darauf an, wann die Kündigung dem Mitarbeiter zugegangen ist: Wird sie im Betrieb übergeben, gilt dieser Zeitpunkt - auch wenn der Arbeitnehmer das Schreiben nicht sofort liest. Wird der Brief per Post oder per Boten in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen, dann kommt es ebenfalls nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme an. Entscheidend ist, wann gewöhnlich mit der Kenntnis zu rechnen ist. Das ist meist der Zeitpunkt, wenn der Briefkasten geleert wird. Das gilt übrigens auch, wenn der Arbeitnehmer im Urlaub oder im Krankenhaus ist und gar keine Kenntnis nehmen kann. Wer deshalb die Dreiwochenfrist versäumt, dem hilft nur ein Antrag auf „Wiedereinsetzung", der mit der Kündigungsschutzklage verbunden werden kann. Er muss aber spätestens zwei Wochen nach Ende des Urlaubs oder Krankenhausaufenthaltes gestellt werden.

 

 

2. Brauche ich einen Anwalt?

Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, einen Anwalt einzuschalten. Vor dem Arbeitsgericht können sich die Parteien auch selbst vertreten oder zum Beispiel durch eine Gewerkschaft. Erst ab der zweiten Instanz besteht Anwaltzwang. Auch vorher empfiehlt sich die Einschaltung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht aber, da diese die Erfolgsaussichten einer Klage meist gut einschätzen können. Man sollte die Anwaltsfrage unverzüglich klären, denn dieser muss noch die Chance haben, die Kündigung aus formalen Gründen zurückzuweisen. Das ist etwa möglich, wenn ein Vertreter des Arbeitgebers die Kündigung ausgesprochen hat, aber keine Originalvollmacht beigefügt hat.

Anders als im Zivilprozess muss vor dem Arbeitsgericht jede Partei ihre Anwaltskosten tragen - auch dann, wenn sie gewinnt. Die gesetzlichen Anwaltsgebühren im Fall einer Kündigung berechnen sich nach dem Dreifachen des Bruttomonatsgehaltes. Bei einem Monatsgehalt von 3000 Euro brutto erhält der Anwalt daher etwa 650 Euro an Gebühren. Die Gerichtskosten zahlt die unterlegene Partei. Wer nicht rechtsschutzversichert ist und sich diese Summen nicht leisten kann, kann Prozesskostenhilfe beantragen.

 

 

3. Welche Anträge müssen gestellt werden?

Das hängt von den Zielen des Arbeitnehmers ab. Geht es allein um eine möglichst hohe Abfindung, reicht ein Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die - mit genauem Datum bezeichnete - Kündigung beendet wurde. Wer aber seinen Arbeitsplatz tatsächlich behalten möchte, sollte über einen Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens nachdenken. Denn oft dauert ein Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der zweiten Instanz deutlich länger als ein Jahr. Es kann gerade für höher qualifizierte Arbeitnehmer nachteilig sein, so lange von ihren Aufgaben entbunden zu sein. Wer dagegen in der ersten Instanz Erfolg hat, hat mit einem solchen Antrag einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung, bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. In Extremfällen kann auch eine einstweilige Verfügung auf vorläufige Weiterbeschäftigung sinnvoll sein.

Wer noch andere Ansprüche gegen den Arbeitgeber hat, zum Beispiel auf Lohn oder Urlaubsabgeltung, sollte sie gleich mit einklagen. Hier muss man prüfen, ob nicht der Arbeitsvertrag oder ein Tarifvertrag Ausschlussfristen für derartige Ansprüche enthalten. Vorsicht: Weitere Anträge bedeuten in der Regel höhere Anwaltsgebühren.

 

 

4. Was ist ein Gütetermin?

Nach Eingang der Klage bestimmt das Arbeitsgericht verhältnismäßig schnell einen „Gütetermin", meistens innerhalb von zwei bis drei Wochen. In dieser Sitzung versucht der Richter, zwischen den Parteien eine gütliche Einigung zu erzielen. Dazu schildert er in groben Umrissen den bisher bekannten Sachverhalt und die Rechtslage und macht manchmal auch konkrete Vorschläge für einen Vergleich, zum Beispiel hinsichtlich der Abfindungshöhe.

Der Arbeitgeber nimmt aber in der Regel nicht schon umfassend zu der Klage vor dem Gütetermin Stellung, so dass Einzelheiten nicht erörtert werden. Nur wenn beide Seiten sehr an einer Einigung interessiert sind, kommt es in diesem Stadium schon zu einem Vergleich. Üblicherweise gibt der Richter den Parteien am Ende des Gütetermins auf, innerhalb bestimmter Fristen zu der Klage und dem gesamten Sachverhalt Stellung zu nehmen, und beraumt einen neuen Termin an, den „Kammertermin".

 

 

5. Was geschieht im Kammertermin?

Der Kammertermin findet je nach der Arbeitsbelastung des Gerichts meist drei bis fünf Monate nach dem Gütetermin statt. Jetzt nehmen auch die beiden ehrenamtlichen Richter teil, die jeweils von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden benannt werden. Wenn es zur Aufklärung des Sachverhaltes nötig ist, lädt das Gericht auch Zeugen, welche die Parteien in ihren Schriftsätzen benannt haben.
Aufgrund der Schriftsätze und der Beweisangebote sind sowohl für das Gericht als auch für die Parteien die Erfolgsaussichten der Klage im Kammertermin gut einzuschätzen. Das erleichtert Vergleichsverhandlungen. Als Faustformel für die Höhe einer Abfindung für betriebsbedingte Kündigungen gilt ein halbes Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr. Im Fall von verhaltensbedingten Kündigungen bieten Arbeitgeber häufig aber überhaupt keine Abfindung an, da sie den Arbeitnehmer für sein Fehlverhalten nicht auch noch belohnen wollen.

Tatsächlich hängt die Höhe einer Abfindung sehr stark von den Prozesschancen ab. Ist die Kündigung offensichtlich unwirksam, zahlen Arbeitgeber wesentlich höhere Abfindungen als ein halbes Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr, wenn sie den Arbeitnehmer loswerden möchten. Sind die Erfolgsaussichten der Klage unklar, ist es für Arbeitnehmer dagegen gefährlich, deutlich niedrigere Abfindungsangebote abzulehnen. Denn wenn das Gericht die Kündigung für wirksam hält, gibt es überhaupt keine Abfindung. Über die Abfindungshöhe wird daher oft heftig gefeilscht. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet die Kammer im Urteil, ob die Kündigung rechtmäßig ist.

 

 

6. Zweite Chance: Das Berufungsverfahren
In Kündigungsschutzprozessen ist eine Berufung zum Landesarbeitsgericht immer möglich. Sie muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt und spätestens innerhalb eines weiteren Monats begründet werden. Anders als in der ersten Instanz trägt die verlierende Partei alle Kosten. Das Landesarbeitsgericht prüft das Urteil nicht nur auf Rechtsfehler, sondern untersucht auch, ob der Sachverhalt richtig dargestellt ist.

Es kommt daher immer wieder vor, dass das Landesarbeitsgericht anders entscheidet als die Vorinstanz. Hat der Arbeitnehmer keinen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt, muss er während des Verfahrens nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Der Arbeitgeber zahlt aber nach Ablauf der Kündigungsfrist auch keinen Lohn mehr. Der Arbeitnehmer darf sich einen anderen Job suchen, muss es aber nicht.
Mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts ist das Verfahren rechtskräftig beendet, sofern nicht ausnahmsweise die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wird oder die unterlegene Partei dies durch eine „Nichtzulassungsbeschwerde" erreicht. Verliert der Arbeitgeber, muss er den Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen weiterbeschäftigen und den Lohn zwischen dem Ende der Kündigungsfrist und einem rechtskräftigen Urteil nachzahlen. Auf diese Summe werden dem Arbeitnehmer aber das Arbeitslosengeld oder Einkünfte durch andere Tätigkeiten angerechnet. Gewinnt der Arbeitgeber, steht endgültig fest, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verloren hat und keine Ansprüche mehr gegen den Arbeitgeber hat.

 

Team MIS fand diesen Artikel am 26/27.07.08 in der FAZ und fasste diesen Artikel für Sie zusammen.

 

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