Nachfrage Schwankungen im Friseurhandwerk
Personenbezogenen Dienstleistungen beeinflussen den Unternehmenserfolg
Dieter Schneider: Nachfrageschwankungen im Friseur-Unternehmen sind ein uraltes Problem des Friseurhandwerks. Friseurunternehmer berichten mir, dass das Problem immer größer wird, weil die Kunden in ihrem Besuchsverhalten immer unberechenbarer werden. Das Hauptproblem im Friseursalon ist: Bei personenbezogenen Dienstleistungen an Endverbraucher führen Nachfrageschwankungen fast immer zu Produktionsschwankungen. Die klassische Betriebswirtschaftslehre sagt: Durch Lagerhaltung (nach der Produktion), Auftragsbestand (vor der Produktion) lässt sich die Produktion vom Absatz abkoppeln. Bei kosmetischen Verkaufsartikeln ist Lagerhaltung selbstverständlich, bei kosmetischen Dienstleistungen geht das - außer bei Haarteil- und Perückenpflege - überhaupt nicht. Dieser Puffer zwischen Produktion und Absatz fällt bei Kosmetik-Dienstleistungen also weg.
Auftragsbestand bis zu sechs Wochen
Der andere Puffer, der Auftragsbestand", ist im Friseurhandwerk auch weitgehend weggebrochen. Früher gab es nicht wenige Friseurunternehmen, die hatten für besonders gute Friseurinnen und Friseure einen Auftragsbestand bis zu sechs Wochen. Das bedeutete: Vor allem die Frauen bekamen erst nach Wochen einen Termin, weil bis dahin alle Termine vergeben waren. Das hatte natürlich auch seine Schattenseiten, weil auch schon früher das etliche Kundinnen nicht mitmachten und sich einen anderen Friseur suchten. Jetzt gibt es das nur noch in Ausnahmefällen und ist auch noch gefährlicher als früher.
Vertraglichen Bindungen gibt es bei Schönheitsdienstleistungen nur selten
Im Geschäftsverkehr von Unternehmen untereinander spielt die vertragliche Sicherung einer gleichmäßigen Nachfrage und frühzeitigen Bestellung eine große Rolle. Das gibt es auch im Endverbrauchergeschäft, z. B. bei Fitness-Studios. Die entscheidende betriebswirtschaftliche Größe ist da die Zahl der Verträge, die z. B. für die Fremdfinanzierung extrem wichtig ist. Solche vertraglichen Bindungen gibt es bei Schönheitsdienstleistungen nur in seltenen Fällen. Das Auseinanderfallen von Produktion und Absatz bei Dienstleistungen führt zu einem großen betriebswirtschaftlichen Problem: Mit Nachfrageschwankungen schwanken nur die wenigsten Kosten mit! Die einen werden variable (umsatzabhängige) Kosten genannt, die anderen Fixkosten. Beim Verkauf, der nicht läuft, ist es ein kleiner Trost, dass der größte Teil der Kosten, der Wareneinsatz, auch niedrig ist. Bei Dienstleistungen ist der Wareneinsatz unter 10% und auch die anderen Kosten sind wenig umsatzabhängig.
Leistungslohn - Lohnkosten haben meist Fixkosten Charakter
Da kommt nicht selten der Einwand: Durch Leistungslohn kann der größte Kostenblock, die Lohnkosten umsatzabhängig gemacht werden. Theoretisch ist das richtig, in der Praxis sieht es anders aus: Wenn z. B. gesagt wird: Es gibt 25% vom Bruttoumsatz als Bruttolohn, dann muss erst einmal das Vierfache des tariflichen Mindestlohnes umgesetzt werden, ehe es Leistungslohn gibt. Bis dahin sind die Lohnkosten reine Fixkosten. Meine Dokumentation vieler Leistungslohnsysteme und konkreter Umsatz- und Lohnzahlen dieser Betriebe zeigt, dass die Lohnkosten im deutschsprachigen Friseurhandwerk fast ausschließlich Fixkosten-Charakter haben (Die hochinteressante Dokumentation als Pflichtlektüre bei Einführung oder Änderung des Leistungslohnsystems) ist beim MARKTLÜCKE-VERLAG (E-Mail: info@marktluecke-verlag.de für 60 ) zu bestellen.
Gemeinkosten
Bei den Gemeinkosten sieht es nicht anders aus. Da ist der Wasserverbrauch, ein geringer Teil des Stromverbrauchs, etwas Material- und Wäscheverbrauch umsatzabhängig. Früher gab es in Kaufhäusern, Einkaufszentren, Bahnhöfen oder Flughäfen rein umsatzabhängige Mieten. Darauf lässt sich heute kaum noch ein Vermieter ein. Es werden Mindestmieten festgelegt und das sind dann eindeutig Fixkosten. Nach diesem betriebswirtschaftlichen Exkurs, der einfach notwendig ist, um die nachfolgenden Ausführungen richtig zu verstehen, wende ich mich der drängenden Frage zu:
Wie kann ein Friseurunternehmen auf Nachfrageschwankungen reagieren?
Es gibt da zwei grundsätzliche Möglichkeiten:
1. Anpassen an Beschäftigungsschwankungen
2. Ausgleichen von Beschäftigungsschwankungen
Das eine schließt das andere nicht aus, an beidem sollte gearbeitet werden.
Anpassung heißt betriebswirtschaftlich zunächst:
Die Kosten an die schwankenden Umsätze anpassen.
Da sollten wir nach den zwei großen Kostenblöcken Lohnkosten und Gemeinkosten differenzieren. Gemeinkosten entstehen durch die Bereitstellung von Raumkapazität, Personalkosten durch das Vorhalten von Personal. Die Anpassung der Personalkapazität an Beschäftigungsschwankungen erscheint einfacher als die Anpassung der Raumkapazität.
Die Raumkapazität ergibt sich jedoch aus der Formel Größe x Öffnungszeit. Auf Nachfrageschwankungen kann ein Friseurunternehmen mit Änderung der Öffnungszeiten viel flexibler reagieren als mit der Raumgröße.
Daraus lässt sich eine Regel ableiten: Je größer die Fläche, umso härter treffen das Unternehmen Nachfrageschwankungen. Das ist aber nicht nur ein Liquiditäts- und Rentabilitätsproblem, sondern ein psychologisches Problem, das ich schon immer als Gaststätteneffekt bezeichnet habe: Ein großer Raum mit wenigen Kunden verunsichert die anwesenden Kunden in Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Geschäftes. Deshalb sollten große Räume, auch wenn das keine Kostenvorteile bringt, abgeteilt sein und die wenige Kunden sollten nicht auch noch versteckt werden.
Mehr Möglichkeiten gibt es bei der Anpassung der Personalkosten an die Nachfrageschwankungen. An dieser Stelle sollte aber darauf hingewiesen werden, dass Nachfrageschwankungen unterschiedlichen Charakter haben: Sie reichen von Schwankungen innerhalb eines Tages über Schwankungen innerhalb einer Woche, eines Monats bis zu saisonalen Schwankungen. Es tut natürlich besonders weh, wenn sich die verschiedenen Schwankungen überlagern und im Extremfall zu einem zeitweilig leeren Salon führen.
Eine wichtige Maßnahme - außer für sehr kleine Betriebe - ist, Öffnungszeiten und Arbeitszeiten des Personals zu entkoppeln. Je geringer die Ladenöffnungszeit, umso härter treffen das Unternehmen die Beschäftigungsschwankungen. Es ist eine weit verbreitete Illusion, dass eine verminderte Ladenöffnungszeit automatisch zu einer besseren Auslastung der verbliebenen Zeit führt. Das haben z. B. Friseurunternehmen feststellen müssen, die montags wieder geschlossen haben.
Die sinnvollste Anpassung an Beschäftigungsschwankungen sind Teilzeitkräfte, vor allem dann, wenn sie zeitlich flexibel eingesetzt werden können.
Unser unflexibles Arbeitsrecht in Deutschland schränkt die Anpassung der Personalkapazität an Beschäftigungsschwankungen sehr stark ein. Trotzdem ist einiges möglich, so z. B. die Vereinbarung einer Jahresarbeitszeit in Stunden und dann mehr Arbeitszeit bei guter Nachfrage und weniger Arbeitszeit bei schwacher Nachfrage.
Die Abwälzung des Risikos von saisonalen Nachschwankungen auf die Allgemeinheit, z. B. Kurzarbeit oder Entlassung, arbeitslos melden und Wiedereinstellung wird von der Arbeitsverwaltung bei Friseurunternehmen nicht akzeptiert, vom Friseurhandwerk über die Arbeitslosenversicherung und Steuern aber für andere Branchen mitfinanziert.