Ein Friseur: Unternehmer und Handwerker
Durch Qualitätsmanagement entwickelt sich ein Friseur vom Handwerker zum Unternehmer
Das folgende Bild sieht sehr schlicht und einfach aus. Bei näherer Betrachtung und ein paar Erklärungen enthält es aber einerseits jede Menge branchenpolitischen Sprengstoff, andererseits viel konkreten Nutzen für den Betrachter. Sehen wir das Bild als Beschreibung der Branche, dann stehen etwa 80% der Friseurunternehmen links unten im Feld A. Das aktuelle Angebot der Friseurbranche ist in der Summe nicht viel anders und auch nicht viel besser als vor 25 Jahren. Das SOLL-Bild der Branche ist rechts oben im Feld D. Da stimme ich mit dem Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks völlig überein. Ich habe sogar (begrenztes) Verständnis dafür, daß das SOLL-Bild vom Verband gegenüber Dritten sogar zum IST-Zustand verklärt wird. In dem Feld D befinden sich nach meiner Einschätzung noch nicht einmal 5% der Friseure. Weitere 5% sehe ich im Feld B. Wir dürfen uns nicht dadurch täuschen lassen, daß die Fachpresse ständig über das Feld B berichtet und dadurch der Eindruck entsteht, daß der gesamten Branche ständig neue Dinge einfallen. Auch nur etwa 10% der Friseure sehe ich im Feld C. Da sind die, die zwar nicht viel Neues machen, sich aber bemühen, das Gewohnte immer besser zu machen. Das sind die Stillen im Lande, über die trotz ihrer Erfolge wenig berichtet wird. Die Mehrheit der Branche ist auch nicht in das Feld D zu bringen. Deshalb müssen die Verbandsorganisationen in Deutschland sowie in Österreich und der Schweiz sowohl bei ihren Dienstleistungen nach innen als auch bei der Interessenvertretung nach außen einen Spagat machen, der oft weh tut.
Gleichzeitig ist nicht gleichmäßig
Vor ähnlichen Problemen stehen die Zulieferfirmen mit einer größeren Kundenzahl. Auch die haben es nicht leicht, die unterschiedlichen Marktsegmente mit ihren Produkten und Dienstleistungen gleichzeitig zu bedienen. Sowohl die Verbandsorganisationen als auch ein Teil der Zulieferwirtschaft haben in der Vergangenheit den Fehler gemacht, die Wörter gleichzeitig" und gleichmäßig" gleichzusetzen. Weder die größeren Zulieferfirmen noch die Verbandsorganisationen können und wollen auf Friseure im Feld A verzichten. Weil diese Friseure im Feld A sogar in der zahlenmäßigen Mehrheit sind, wurde weitgehend gleichmäßige Verbandspolitik im Sinne dieser Friseure gemacht, oft sogar mit dem falschen Zungenschlag: Wir sind für die Kleinen da, die Großen können sich selber helfen.
Wenn eine Verbandsorganisation überleben will, muß sie die unterschiedlichen Marktsegmente gleichzeitig und ungleichmäßig bearbeiten.
Ähnliches gilt auch für die Zulieferwirtschaft. Da renne ich aber jetzt offene Türen ein. Es ist ganz klar zu erkennen, daß die marktführenden Firmen ihr Marketing viel stärker als bisher differenzieren. Die Vergangenheit ist: Brot (nützliche Dienstleistungen) und Spiele (Dienstleistungen mit reinem Unterhattungswert) für alle, wobei es dem einzelnen Friseur überlassen war, sich das ihm Passende raus-zusuchen. Die Zukunft wird sein: Viel Brot und wenig Spiele für die Felder B, C und D und viel Spielerei und wenig Brot für das Feld A.
Anders" und besser" ist kein Gegensatz.
Das Bild, das ich gezeichnet habe, räumt auch mit der Vorstellung auf, daß anders oder besser eine echte Alternative wäre. Wer vom Feld A ins Feld D will bzw. im Feld D noch weiter nach rechts oben kommen will, muß anders und besser werden. Ich glaube, daß doppelt so viele Friseure im Feld C wie im Feld B sind, obwohl diese Branche ein beachtliches Maß an Innovationsbereitschaft hat. Dagegen wird es als langweilig und wenig kreativ empfunden, das Herkömmliche immer besser zu machen. Es fehlten bisher auch die Kenntnisse über systematisches Qualitätsmanagement. Bei allen wichtigen Denkansätzen zum Qualitätsmanagement (z.B. total quality management - TQM, Qualitätsmanagement nach ISO-Normen, Kaizen) gehören anders" und besser" in gegenseitiger Abhängigkeit zusammen, aber nicht weil anders" automatisch besser" ist und auch nicht, weil besser" automatisch anders" ist. Am einfachsten ist das am japanischen KAIZEN-Konzept zu erklären: Es werden Standards für alle betrieblichen Tätigkeiten formuliert und diese Standards in tausend kleinen Schritten vervollkommnet (Kaizen = Vervollkommnung). Gleichzeitig wird in Teams ständig darüber nachgedacht, bisherige Standards durch neue Standards zu ersetzen. Sobald diese eingeführt sind, setzt wieder der Optimierungsprozeß ein. Da wird Neues nicht erst eingeführt, wenn sicher ist, daß es hundertprozentig klappt und nicht schnell wieder aufgegeben, wenn es nicht gleich hundertprozentig klappt. Friseure neigen in besonderem Maße dazu, neue Dinge aufzugeben, wenn sie nicht gleich durchschlagenden Erfolg haben oder Probleme auftauchen. Es fehlt ihnen oft an Durchhaltevermögen, angefangene Dinge auch bei anfänglichen Mißerfolgen durchzuziehen und nachzubessern. Nur eine Vernetzung von anders und besser, z.B. mit Hilfe eines systematischen Qualitätsmanagements, führt in der Grafik ins oder im Feld D nach rechts oben. Der Unterschied zwischen dem Friseurhandwerker im Feld A und dem Schönheitsdienstteister im Feld D läßt sich am besten durch folgende Rangfolge der Tätigkeiten illustrieren:
Bisher:
Tätigkeit |
Berufsbild |
Intensität |
1. Behandlung Haar |
Friseur(in) |
immer |
2. Begleitende Beratung |
Friseur(in) |
häufig |
3. Intensivberatung |
Friseur(in) |
wenig |
4. Verkauf |
Friseur(in) |
wenig |
5. Behandlung Haut |
Kosmetikerin) |
wenig |
6. Behandlung Haut |
Visagist(in) |
wenig |
7. Training Haar |
Friseur(in) |
selten |
8. Training Haut |
Visagist(in) |
sporadisch |
In Zukunft: |
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1. Intensivberatung |
Schön he itsberater(in) |
eigenständig |
2. Behandlung Haar |
Schönheitsgestalter(in) |
fast immer |
3. Behandlung Haut |
Schönheitsgestalter(in): |
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Visagist(in) |
häufig |
|
Kosmetiker(in) |
wenig |
4. Begleitende Beratung |
Schönheitsberater(in) |
meistens |
5. Training |
Schönheitstrainer(in) |
eigenständig |
6. Begleitendes Training |
Schönheitsgestalter(in) |
häufig |
7. Verkauf |
Schönheitsverkäufer(in) |
häufig |
